Für das Murmeltier beginnt mit den ersten warmen Tagen schon wieder der Wettlauf mit der Zeit. Es gilt, genügend Reserven für den kommenden Winter aufzubauen. Dass das Murmeltier aus den Hohen Tauern weitgehend verschwunden war, ist kaum bekannt.
Über den Winter haben die Murmeltiere rund ein Drittel ihres Gewichts verloren. Ende September werden die ersten aber schon wieder für ein halbes Jahr in ihren Bauen verschwinden. Der kurze Bergsommer ist ein Wettlauf mit dem Tod – vor allem für die Jungtiere. Im Vergleich zu Alttieren können sie nur zwei Drittel an Reserven anlegen, so sie dies überhaupt schaffen. Im Bau müssen sie von anderen Tieren gewärmt werden. Gemeinsam überwinternde Murmeltiere haben durch das bessere Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen einen geringeren Sauerstoffverbrauch als einzelne. Sie geben dadurch weniger Wärme ab. Dennoch kann die Wintersterblichkeit weit über 70 Prozent an der Gesamtsterblichkeit beim Murmeltier ausmachen. Der Lebensraum Berg fordert seinen Tribut! Die putzige „Mus montis“ die Bergmaus, wie das Murmeltier früher lateinisch bezeichnet wurde – war übrigens nicht immer so stark verbreitet wie heute. Es stand in manchen Regionen, zumindest der Ostalpen, sogar am Rand des Aussterbens.
Murmeltiere sind hitzeempfindliche Bewohner kalter Steppen. Gewisse Höhenzonen der Alpen entsprechen diesem Lebensraumtyp. Während der Eiszeiten war die Verbreitung der Murmeltiere stark durch die Gletschervorstöße in Kälteperioden bzw. durch das Ansteigen der Waldgrenze in Wärmeperioden geprägt. Vor allem Letzteres dürfte dazu geführt haben, dass in niedrigeren, zum Teil isolierten Bergzügen, vor allem der Ostalpen, die Murmeltierbestände erloschen sind. Selbst in den Hohen Tauern dürfte es keine oder kaum Murmeltiere gegeben haben. Gesicherte Nachweise autochthoner Vorkommen existieren, abgesehen von einem Areal im Grenzgebiet Salzburg/Berchtesgaden, fast ausschließlich für Westösterreich. In den anderen Gebieten ist die ehemalige Verbreitung unklar. Ein Mitgrund für das regionale Verschwinden dieser Art kann auch in einer starken Überbejagung gelegen haben, denn es wurden sogar ganze Familien im Winterschlaf aus den Bauen ausgegraben. Murmeltiere waren ein begehrtes Speisewild, auch wenn der Geschmack in manch älterer Literatur als „gewöhnungsbedürftig“ beschrieben wurde.
So unterschiedlich Steinbock und Murmeltier sind, es gibt doch zahlreiche Parallelen. Die ehemalige Verbreitung vor allem in den Ostalpen ist unklar und verschiedene Ursachen führten vermutlich im Zusammenspiel zum Verschwinden beider Arten. Dass der Steinbock in den Hohen Tauern wieder angesiedelt wurde, ist bekannt, dass dies auch für das Murmeltier so ist, allerdings weniger. Aber mit weit über 100 bekannten Aussetzungen in Österreich ist das Murmeltier sogar einer der Spitzenreiter bei den Ansiedelungen, da auch anzunehmen ist, dass zahlreiche Freilassungen gar nicht dokumentiert sind. Nach einer ersten Welle um die Wende zwischen 19. und 20. Jahrhundert kamen viele Murmeltiere erst wieder nach den Kriegsjahren in die Wildbahn zurück. In alten Jagdtagebüchern der Hohen Tauern findet man immer wieder Einträge über die ersten Murmeltiersichtungen, wie beispielsweise am 14. September 1935 im Gößnitztal.
Gunther Greßmann