Der amerikanische Schriftsteller und Naturforscher John Borroughs hätte den Herbst nicht kürzer und treffender beschreiben können. Nach einem Jahrhundertsommer prüfen wir bereits unsere Garderobe für den kommenden Winter. Der Natur zeigt sich jedoch noch einmal ihr gesamtes Farbenspiel und erfreut damit unser Auge und Gemüt – auch wenn so mancher Tag nebelig und trüb erscheinen mag.
Frühling und Herbst – wir nennen die beiden Jahreszeiten auch „Übergangszeiten. Und tatsächlich sind sie dies ja auch. Jahreszeiten sind kein Trick der Natur sondern entstehen einfach dadurch, dass die Welt schief im Weltall hängt und mit 107.000 km/h in einer elliptischen Bahn um die Sonne saust und sich dabei auch noch um die eigene Achse dreht. Dadurch ändert sich dauernd der Abstand zur Sonne und damit auch der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen. In Osttirols Winter ist die Nordhalbkugel der Erde von der Sonne abgewandt. Deren scheinbare Bahn über den Himmel verläuft so flach, dass sie auch mittags nur 18,5 Grad über den Horizont steigt. Darauf muss sich die Natur einstellen. Dafür braucht sie Zeit – Übergangszeit eben.
Im Winter ist der Boden gefroren. Die Wurzeln können kein Wasser aufnehmen. Hätte ein Baum nun Blätter, so würde über diese Blätter Wasser durch die Spaltöffnungen verdunsten. Weil aus dem Boden nichts nachkommen kann würde der Baum“ verdursten“. Die beste Lösung: Blätter abwerfen. Warum aber werden diese Blätter im Herbst so bunt, würde einfach abfallen nicht auch reichen?
Nein, es gilt, Wertvolles zu retten und das ist vor allem der Stickstoff, welcher für Pflanzen ein Mangelnährstoff und nur schwer zu beschaffen ist, jedoch für viele Vorgänge in der Pflanzenphysiologie notwendig ist. Bevor der Baum in Winterruhe geht, zerlegt er das Chlorophyll der Blätter und auch die Proteine in ihre Bausteine und holt sie in die dicken Äste und den Stamm zurück. Dort werden die stickstoffhaltigen Komponenten bis zum nächsten Frühling eingelagert um im Frühjahr dann wieder sofort startklar zu sein.
Auf die ebenfalls im Blatt vorhandenen orangen und gelben Farbstoffe kann die Pflanze verzichten. Es sind Carotinoide, die keinen Stickstoff enthalten und somit leicht zu ersetzen sind. Anders in Nordamerika. Dort sieht man im sogenannten „Indian Summer“ - anders als bei uns - über weite Flächen intensiv rot gefärbte Blättermeere, welche durch Anthocyane gebildet werden. Diese werden erst im Herbstlaub gebildet und enthalten ebenfalls keinen Stickstoff. Ein sinnloser Energieaufwand? Nichts ist sinnlos in der Natur, die Anthocyane bieten besonderen Schutz, wenn Kälte und Sonne gemeinsam einwirken, wie dies in Nordamerika eben oft der Fall ist.
Im Laufe des Herbstes verschwindet so ein Farbstoff nach dem anderen aus dem Blatt. Wenn der Baum alle für ihn wertvollen Stoffe in Ast und Stamm gesichert hat, wird zwischen Blatt und Zweig eine Korkschicht gebildet, das Blatt fällt ab.
Aber warum wirft dann die Lärche als einziger Nadelbaum Mitteleuropas die Nadeln ab? Nun, die Nadeln von Zirbe und Fichte sind hart und von einer dicken Wachsschicht überzogen, welche vor Austrocknung schützt. Diese Schicht muss im Sommer ausgebildet werden. Für die Zirbe ist also ein schlechter Sommer gefährlicher als ein harter Winter. Die Lärche hat zarte, ungeschützte Nadeln. Der Baum investiert seine Energie eben in die Neubildung im Frühjahr.
Auch im Tierreich gibt es interessante Umstellungen. Der Steinbock legt sich ein dichtes Fell zu und stellt seine Physiologie derart um, dass er im Hochwinter erst unterhalb von - 20°C zu frieren beginnt. Hirsche halten , falls erforderlich, eine Art Winterruhe, indem sie Pulsfrequenz und Körpertemperatur absenken.
So vieles passiert im Herbst, so vieles ist auch in dieser „toten“ Jahreszeit zu entdecken.