Nationalpark Hohe Tauern

Artenvielfalt unter
erschwerten Bedingungen erheben


Am Wochenende vom 16.-18.07.2021 fand der 15. Tag der Artenvielfalt im Lungauer Anteil des Nationalparks Hohe Tauern statt. 64 Expertinnen und Experten zu 25 unterschiedlichen Organismengruppen nahmen an dieser 36-Stunden-Inventur teil.

Extreme Regenfälle begleiteten diese Aktion – wahrlich keine gute Ausgangslage für Erhebungen. Tierarten sind nicht aktiv und auch die Forscher*innen kommen im teilweise steilen Gelände nicht so gut voran. Wie kreativ die Expert*innen waren und wie gut sie ‚ihre‘ Arten kennen, ist bemerkenswert. Die Stütz- und Untersuchungspunkte waren: Rotgüldenseehütte, Sticklerhütte, Muritzen-Parkplatz und Karwassersee. Wie geplant wurden die Lichtfallen für das Anlocken der Nachtschmetterlinge sowie die Ultraschall-Detektoren für das Aufzeichnen möglicher Aktivitäten von Fledermäusen an den unterschiedlichen Standorten errichtet. Rückblickend erwies sich dieses beherzte Vorgehen als goldrichtig: in der Nacht vom Freitag auf den Samstag beruhigte sich das Witterungsgeschehen überraschend etwas, sodass den Expert*innen im Feld in diesem „geschenkten“ Zeitfenster zahlreiche Nachweise gelangen.

Erste Auswertungen der Fledermaus-Detektoren wiesen mindestens fünf Fledermausarten im Gebiet nach. „Die meisten Nachweise betreffen die Nordfledermaus. Diese Art wird im Gebirge bis in große Höhen angetroffen.“, so Maria Jerabek. Beim Lebendfang von Kleinsäugern konnten drei Arten nachgewiesen werden: Rötelmaus, Waldmaus und Kurzohrmaus.

Die Schmetterlingsforscher*innen hatten mit ihren Nachtleuchtaktionen ebenfalls Erfolg. „Glücklicherweise fiel die Temperatur nicht zu tief ab, sodass diese Tiere aktiv blieben.“, zeigte sich Patrick Gros erleichtert. Charakteristische Gebirgsarten wie der Ebereschen-Bergspanner oder der Labkraut-Alpenspanner konnten im Bereich der Zwergstrauchvegetation gut erfasst werden. Schmetterlinge sind häufig eng an bestimmte Futterpflanzen gebunden. Die Raupen des besonders hübschen Geschmückten Taubenkropf-Blütenspanners fressen z.B. nur die Fruchtstände von Leimkraut-Arten. Gerade der Lungauer Anteil des Nationalparks Hohe Tauern zeichnet sich infolge seiner abwechslungsreichen Geologie durch eine enorme Vielfalt an Pflanzenarten und Lebensräumen aus, sodass auch die daran gebundene Tierwelt sehr artenreich ist.

„Tagsüber gestaltete sich die Suche nach Schmetterlingen dann aufgrund der anhaltenden Regenfälle allerdings sehr schwierig.“, erläuterte Patrick Gros. „Ohne Sonnenschein können diese Tiere nicht aktiv werden, und wenn es dann auch noch regnet, bleiben sie in der Regel in der Vegetation versteckt. „Trotz der anhaltend starken Regenfälle war es möglich, all jene Falter zu beobachten, die bei Eintreten des Schlechtwetters zufällig auf Blüten sitzen geblieben waren. Dort schliefen sie dann ein, bevor sie sich verstecken konnten, und blieben dadurch auch für die Beobachter*innen gut sichtbar.“ Nachgewiesen wurden dabei z.B. der europaweit streng geschützte Thymian-Ameisenbläuling und der Storchschnabel-Bläuling. Arten, die außerhalb des Gebirges aufgrund der intensiven Bodennutzung durch den Menschen kaum noch anzutreffen sind. Als bemerkenswerte Seltenheit wurde der Alpen-Maivogel beobachtet, eine Gebirgsart, die in ganz Salzburg nur im Oberen Murtal etwas häufiger anzutreffen ist.

Martin Schlager aus dem Team zu den Hummeln bestätigte verschmitzt, „dass auch sie wegen der starken Regenfälle gezielt in den Blütenköpfen von Korbblütengewächsen nach den schlafenden Hummelmännchen gesucht hätten. Bei Regen schließen die Blüten ihre Köpfe zu geschlossenen Kelchen, in welchen es sich offenbar gut ruhen lässt.“ Walter Wallner gelang der Nachweis der Eisenhuthummel. „Mit bis zu 26 mm Länge der Königinnen zählt diese Art zu den sehr großen Hummelarten. Die starke Spezialisierung auf Eisenhut macht sie besonders interessant. Während zur Not auch Nektar anderer Pflanzen zur Energieversorgung genutzt werden kann, sammelt sie den Pollen für die Larvenernährung ausschließlich an Eisenhut.“, so Wallner. Die Blüten sind kompliziert aufgebaut und um an den Nektar zu gelangen, hat die Eisenhuthummel einen äußerst langen Rüssel entwickelt. Sie ist ausschließlich dort anzutreffen, wo große Eisenhutbestände vorhanden sind und für den Eisenhut ist diese Hummelart der wichtigste Bestäuber.

Die meisten Arten konnte naturgemäß die Gruppe der Pflanzenkundler*innen verzeichnen, welche sich nicht nur als besonders geländegängig, sondern auch als ausgesprochen durchhaltefreudig erwies. So berichtete Helmut Wittmann von mehr als 600 erfassten Datensätzen.

Seit 2007 finden die Tage der Artenvielfalt im Nationalpark Hohe Tauern abwechselnd in den drei Bundesländern und immer in einem anderen Gebiet statt. Nach der Bestimmung auch der schwierigen Artengruppen, wie z.B. Krebstiere oder Quellorganismen, welche unter dem Mikroskop erfolgen muss, und Auswertung aller Ergebnisse, können schlussendlich sogar bis zu 1.500 nachgewiesene Arten zusammenkommen. Allein von den Tagen der Artenvielfalt wurden bislang mehr als 50.000 Datensätze in die Biodiversitätsdatenbank des Nationalparks am Salzburger Haus der Natur integriert.

Großer Dank gebührt den Expert*innen, welche mit ihrem umfangreichen und profunden Wissen im Rahmen solcher „36-Stunden-Inventuren“ immer wieder ehrenamtlich dazu beitragen, das Bild zur Artenvielfalt im Nationalpark zu schärfen. Ohne dieses begeisterte Engagement würde die Erforschung der Biodiversität gerade eines Großschutzgebietes gar nicht möglich sein.

BILDER:

Alpensalamander (c) Wilfried Rieder.JPG
Im Gegensatz zu Fluginsekten benötigt der Alpensalamander eine hohe Luftfeuchtigkeit und lässt sich am besten in der Dämmerung oder an regnerischen Tagen beobachten. Der Alpensalamander – mit einer Tragezeit von bis zu 5 Jahren - ist die einzige Amphibienart, die für die Fortpflanzung keine Gewässer benötigt.

Karwassersee_1 (c) Wilfried Rieder.JPG
Aufbau eines Ultraschalldetektors bei Schlechtwetter am Karwassersee.

Lichtlebendfalle wird vom Team rund um Eigner Marko am Freitag aben aufgestellt. Mit Erfolg! c Marko Eigner

Der Bergpieper konnte nachgewiesen werden. c Martin Lechleitner



Geschrieben von
Mag. Kristina Bauch

22.07.2021